Pane pugliese con Lievito madre – Walden – Ein Leben mit der Natur

“Sie führten mich bis in die primitive Zeit der ersten Erfindung des ungesäuerten Brotes zurück, als die Menschen von Fleisch und Nüssen und zum ersten Mal zu dieser milden, verfeinerten Kost übergingen. Und über das zufällige Sauerwerden des Teiges, das, wie man annimmt, zur Entdeckung des Gärungsprozesses führte, und die verschiedenen Gärungsverfahren, gelangte ich allmählich zu unserem “guten, würzigen, gesunden Brot” – dieser Stütze des Lebens.”

 

Heute habe ich eine etwas ungewöhnliche Mischung im Gepäck: Henry David Thoreaus Walden und ein italienisches Pane pugliese. Nicht dass Thoreau das unbedingt zu schätzen gewusst hätte. Er war zumindest im kulinarischen Sinne kein Genussmensch und ernährte sich überwiegend von dem, was die Natur 1845 in der Wildnis von Neuengland so hergab. Er war mit seinen 28 Jahren ein Minimalist und damals schon der Meinung, dass weniger mehr ist, und eigentlich alles “zu viel”.

 

“Warum leben wir in solcher Hast mit solcher Vergeudung von Leben? Wir glauben, Hungers zu sterben, bevor wir hungrig sind.”

 

Thoreau genießt daher ganz andere Dinge als gutes Essen oder andere Annehmlichkeiten. Die Natur, die Einsamkeit und sein schlichtes Leben in der Wildnis. Seine Gedanken sind, damals wie heute, gültig und das ganze Werk lässt uns einen Blick auf seine ganz eigene Philosophie und auch auf die Lebensumstände der damaligen Zeit werfen. Vor allem geistige Nahrung ist ihm immens wichtig und so gibt es zum Beispiel ein ganz eigenes Kapitel über das Lesen. Hier sind auch die meisten Textmarkierungen meinerseits.

 

“Bücher sind der gesammelte Reichtum der Welt und das schönste Erbe von Generationen und Völkern. Bücher, die ältesten und die besten, stehen also auf natürliche und rechtmäßige Weise auf dem Wandbrett in einer jeden Hütte. Sie treten nicht in eigener Sache auf, doch solange sie den Leser aufklären und ihn bereichern, wird sein Menschenverstand nicht auf sie verzichten wollen.”

 

 

Sein Werk ist nicht immer einfach zu lesen und ich habe mich selbst immer wieder dabei erwischt, dass ich abgeschweift bin. Dieses Abschweifen ist aber auch nicht unbedingt unangenehm. Ich hatte dann immer das Gefühl,  ich verpasse gerade nichts und Thoreau beschreibt sein recht ruhiges Leben im Hintergrund. Bis man dann wieder durch eine interessantere Stelle aufgeschreckt wird  und man Henry David einfach nur sagen möchte: “Ja, genau! Du hast so recht.”

 

“Schließlich läuft ein Lebender immer Gefahr zu sterben, aber man sollte die Gefahr nicht überschätzen, sonst wäre man von vornherein mehr mit dem Tod als mit dem Leben beschäftigt. Ein Mensch kann nicht nur Gefahr laufen, er kann auch Gefahren sitzen.”

 

Ist das nicht großartig? Das Werk ist also philosophisch reichhaltig, kulinarisch eher schlicht und insgesamt sehr nachhaltig und dadurch eigentlich gerade wieder voll im Trend. Und auch wenn Thoreau sogar beschlossen hat, die Hefe bei seinem Brot wegzulassen und nur Mehl mit Wasser zu vermengen, war für mich das einzige “Gericht”, welches zu dem Buch passt, ein grobporiges und schlichtes Bauernbrot. Auch wenn ich gewagt habe,  ein italienisches Rezept zu verwenden. Sehr “unthoreauhaft”. Mit italienischer Küchenopulenz wäre er sicher nicht einverstanden gewesen. Und trotzdem fand ich, dass es passt.

Dafür habe ich mir tatsächlich eine “Mutterhefe” gezüchtet, die jetzt bei mir im Kühlschrank wohnt und “Helga” heißt. Über die Herstellung von Helga, gibt es einen eigenen Beitrag. Ich bin jedenfalls völlig begeistert und hatte noch nie so ein großporiges Brot mit so viel Geschmack und so wenig Zutaten. Was man allerdings braucht, und von dieser Zutat hatte H.D. Thoreau reichlich: Zeit. Ganz. Viel. Zeit. Und das wäre ihm sicher sympathisch gewesen. Vielleicht hätte er es ja doch gemocht und hätte zufrieden eine Scheibe am Ufer des Waldensees verspeist.

Pane pugliese mit "Helga"

Zutaten

  • 60 g aktiver LIevito madre (Helga)
  • 300 g italienisches Hartweizenmehl (Semola rimacianata)
  • 200 g Wasser (24 Grad)
  • 10 g feines Meersalz

Zubereitung

  • Um an ein perfektes Pane mit großen Poren zu kommen, müsst ihr fast zwei Tage einplanen. Ich starte am ersten Tag morgens damit, den Lievito madre über 8 Stunden bei Raumtemperatur dreimal auffrischen (notfalls auch nur zwei Mal, wenn es nicht anders geht und ich arbeiten muss). Damit Helga etwas schneller erwacht, heize ich den Ofen auf 30 Grad, schalte ihn wieder aus und stelle das Glas bei geschlossener Klappe einfach warm. Hier ist es wichtig, dass es nicht zu heiß wird, sonst ist es aus mit Helgalein.
  • Das Mehl in eine Schüssel sieben und mit der Hand eine Mulde formen. 190g Wasser hineingeben und mit einem Löffel umrühren, bis das Mehl ganz befeuchtet ist. Schüssel abdecken und möglichst bei 24 Grad für zwei Stunden zur Autolyse stehen lassen.
  • Dann das restliche Wasser und "Helga" hinzugeben. Um alles gut zu vermengen, könnte man die Küchenmaschine nehmen, es geht aber tatsächlich schneller mit den Fingern. Dafür den Rand rund um die Schüssel zur Mitte hinfalten. So kommt auch Luft in den Teig. Wieder eine Stunde ruhen lassen.
  • Dann Teig etwas flach drücken, die Hälfte des Salzes drüberstreuen und mit befeuchteter Hand das Salz benetzen und wieder im Kreis vom Rand hin zur Mitte falten. Den Teig wenden und die Prozedur mit dem restlichen Salz wiederholen. Abdecken und weitere 30 Minuten ruhen lassen. Ihr seht: Zeit ist wirklich wichtig. Ihr könnt das Ganze natürlich auch verkürzen, aber das Ergebnis wird einfach nicht dasselbe sein.
  • Und es geht weiter: Jetzt den Teig alle 15 Minuten dreimal dehnen und falten. Dafür zieht ihr den Rand des Teiges hoch und faltet ihn einfach zur Mitte und das einmal rund um die gesamte Schüssel. Es sollte sich eine Kugel bilden und am besten geht das hier auch wieder mit feuchten Händen. So verbindet sich das Gluten und der Teig wird sehr elastisch. Mit Dehnen und Falten geht es weiter: noch mal alle 30 Minuten drei Mal. Der Teig wird nicht so stark aufgehen wie mit Hefe aber ihr seht schon während der Falterei, dass der Teig immer mehr Blasen wirft. Jetzt sollte der Teig nochmal eine Stunde stehen. Da es, solltet ihr den ersten Tag auf einen Arbeitstag legen, ohnehin schon zu spät zum Brotbacken ist, ist es am besten den Teig einfach bis zum Backen in den Kühlschrank zu stellen. Das kann man auch zwei Tage durchziehen. Der Teig wird einfach nur immer besser.
  • Am Backtag den Teig aus dem Kühlschrank nehmen und für zwei Stunden stehenlassen. Auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben und leicht bemehlen. Ein Rechteck formen und die kurzen Seiten wieder dehnen und zur Mitte falten. Dann vom kurzen Ende her einrollen und entweder mit der Teigkarte oder mit der Hand rundwirken. Abdecken und noch mal eine halbe Stunde ruhen lassen. Derweil einen Gusseisenbräter mit Deckel im Ofen auf 250 Grad vorheizen. Teig in Form bringen und mit einer Rasierklinge einschneiden (kreuzartig oder längs). Auf ein Backpapier setzen und vorsichtig in den Bräter legen. Mit Deckel für 45 min auf der untersten Schiene backen. Dann ohne Deckel noch mal 15 Minuten.
  • Mindestens 2 Stunden abkühlen lassen, bevor ihr es aufschneidet. Und nicht verzagen - ich habe drei Anläufe gebraucht, bis dieses Brot dabei rauskam. Aber es lohnt sich. Der Geschmack und die Krume waren perfekt. Da hätte Thoreau auch nicht "Neinsagen" können.
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Ist das ein Brot oder ist das ein Brot?

Eure Kiki!

 

 

 

 

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Hungrig auf mehr?