Lucki Maurer. Das kulinarische Interview

Lucki Maurer

“Ich glaube, manchmal ist es einfach ganz gut, wenn man die klassischen Pfade verlässt und sich um nichts schert.”

Heute habe ich ein ganz besonderes kulinarisches Interview für euch. Fast jeder kennt ihn. Spätestens aber seit seinem fulminanten Auftritt bei Kitchen Impossible im Februar, bei dem er Tim Mälzer mal eben an die Wand gekocht hat. Ich spreche von Koch, Autor, Musiker und Wagyuzüchter Ludwig aka Lucki Maurer aus dem bayrischen Wald.

Lucki hält wirklich tausend Bälle gleichzeitig in der Luft. Am Tag vor unserem Gespräch hat er für das Onlineportal „Meisterklasse“ gedreht und zwischendurch konferiert er auch eben mal mit der Verlegerin des Matthaes Verlag zum neuen Buchprojekt. Und das alles auf dem Weg zum Flughafen. Ein Carpool-Interview sozusagen. Für das Interview nimmt er sich aber jede Menge Zeit, wirkt sehr entspannt und kein bisschen gestresst. Sehr sympathisch. Mir hat das Ganze jedenfalls großen Spaß gemacht und ich hoffe, es geht euch genauso.

Auf „Kochtopf & Feder“ kombiniere ich Bücher und Rezepte, zu denen ich mich unter anderem von den Geschichten oder Handlungsorten inspirieren lasse. In Deinem Leben spielt die Musik eine große Rolle, wie ich einmal in einem Interview gelesen habe. Wie passen Musik und Kochen für Dich zusammen?

Das ist eigentlich ganz einfach erzählt. Ich war ja unter anderem 11 Jahre bei Stefan Marquard. Und ich finde, man kann dieses Kochen immer ganz gut mit Musik vergleichen. Es gibt natürlich auf der einen Seite die klassische Musik, die man von der Pike auf lernt, wo man wirklich Noten mit Rezepten vergleichen kann. Da kann man zum Beispiel sagen, dass eine Ouvertüre von Mozart wie ein Rezept für einen klassisch französischen Blätterteig ist. Und in der Küche gibt es die großen Meister wie Ducasse, Bocuse, Wohlfahrt und Dieter Müller ebenso wie in der Musik. Ich nenne jetzt mal Beethoven, Tschaikowski und Dvořák. Das ist gut vergleichbar.

Manchmal sind Klassiker unverzichtbar. Wenn man zum Beispiel gewisse Rezepte macht, wie eine klassische Garnitur bei einem Rinderfilet Wellington. Aber in der Musik es ist eben schön, sich mit anderen Musikern in den Probenraum zu stellen und zu sagen: Jetzt machen wir was Kreatives. Jetzt fangen wir an zu jammen, jetzt ist uns grade die Klassik scheißegal und jetzt sind uns auch die Noten scheißegal. Und genau so kochen wir einfach gerne auch mal drauf los, weil wir glauben, wir wissen, was sich gut anfühlt. Das ist Rock ‘n’ Roll, so entsteht ein neuer Song! Und so ist auch diese kreative Küche eines Stefan Marquard entstanden, der mich ja sehr geprägt hat.

Ich glaube, manchmal ist es einfach ganz gut, wenn man die klassischen Pfade verlässt und sich um nichts schert. Das spiegelt sich auch zum Beispiel in meiner Zusammenarbeit mit Heiko Antoniewicz wieder. Einer meiner besten Freunde und einer meiner kulinarischen Brüder. Wir lassen da oft alle Grenzen außen vor, die sind uns dann relativ wurscht. Klar gibt es immer einen klassischen Ansatz, aber diesen gilt es nicht einzuhalten. Und das ist die Art und Weise, wie ich Kochen mit der Musik verbinde. Aber im Endeffekt muss sich immer das Stück gut anhören und das Gericht muss im Endeffekt auch schmecken. Deshalb ist das zu 100 % identisch.

 

War es bei Dir schon immer klar, dass Du Koch wirst oder wolltest Du eigentlich einmal etwas ganz anderes werden?

Ich wollte nie Koch werden. Niemals. Das war für mich immer der größte Hassberuf. Mein Papa ist Koch und ich bin in einem Hotel groß geworden. Das heißt, es war immer irgendwie anders als bei allen anderen Kindern. Immer wenn alle „normalen“ Leute frei hatten, mussten meine Eltern arbeiten. Deshalb habe ich gesagt: In meinem ganzen Leben werde ich niemals Koch werden. Niemals. Ich wollte eigentlich Musiker werden oder Zweiradmechaniker. Das wäre eigentlich mein Traumjob gewesen.

Aber mein Vater war sehr konservativ, wofür ich heute natürlich dankbar bin. Er hat zu mir und meinem Bruder damals gesagt: „Passt mal auf, Freunde. Wir haben zwei Betriebe. Wir haben die Landwirtschaft und wir haben die Gastronomie. Das heißt, ihr lernt entweder einen landwirtschaftlichen Beruf oder einen gastronomischen Beruf. Ihr macht erst mal eine solide Ausbildung und dann könnt ihr immer noch machen, was ihr wollt. Wenn Du dann noch Rockstar werden willst, kannst Du das immer noch. Rockstar ist aber kein Ausbildungsberuf und deshalb lernst Du jetzt erst mal was Gescheites.

Also habe ich zuerst Hotelfachmann gelernt. Das war aber so gar nicht meine Welt und ich fand das so kacke, dass ich nach einem halben Jahr aus dem Betrieb rausgeflogen bin. Ich meine, ich war damals sechzehn, meine Sturm-und Drang-Zeit. Revolution! Aber obwohl ich Heavy Metall Musiker werden wollte, habe ich in einem Fünfsternehotel als Kellner gearbeitet. Da waren meine langen Haare schon ein No-Go. Damals war ja noch nicht jeder tätowiert. Das ist 25 Jahre her, das war 1996. Da musstest Du zur Arbeit noch die Ohrringe rausnehmen und die Haare zusammenbinden. Auf das Ganze hatte ich jedenfalls keinen Bock und bin da rausgeflogen. Als ich das dann meiner Mama erzählt habe, meinte sie nur: „Tja, dann brauchen wir jetzt eine neue Lehrstelle.“ Sie hat dann bei einem befreundeten Hotel gefragt, ob die mich übernehmen können. Ich war so ein bissel ein „problemchild“, das muss man dazu sagen.

Die haben dann gesagt, dass sie das schon machen können, aber Hotelfachleute nehmen sie keine und Servicefachleute auch nicht. Nur einen Koch könnten sie noch brauchen. Und dann hat meine Mama entschieden, dass ich eine Kochlehre mache. Das fand ich ziemlich scheiße, aber ich war nicht grade in der Position zu verhandeln, sagen wir es mal so. Also „zack-bumm“, habe ich das gemacht, was ich nie wollte.

 

Aber da musstest Du dich doch trotzdem auch anpassen, oder?

Ja schon. Es war aber so, dass ich mich da halt überhaupt nicht blöd angestellt habe, im Gegenteil. Weil dadurch, dass ich in einem Wirtshaus groß geworden bin, musste mir keiner mehr erklären, wie man ein Schnitzel paniert oder was der Unterschied zwischen einem Tafelspitz und einem Schaufelbug ist. Ich musste daheim ja schon immer mithelfen. Im ersten Lehrjahr konnte ich also schon fast alles. Daher habe ich mich total einfach getan.

Und der Küchenchef damals, der Herr Euler, hat mein Potenzial erkannt und hat das dann auch voll gefördert. Dem habe ich das quasi auch zu verdanken. Der hat immer gesagt, der Junge ist super, der ist gut. Er hat mich dann auch oft zu so Außerhausveranstaltungen mitgenommen und hat mich dann auch mal auf dem Saucier mitkochen lassen im ersten Lehrjahr. Er hat mich also nicht nur Kartoffelschälen oder Salat waschen lassen, sondern hat das Potenzial früh erkannt und früh gefördert.

 

Also würdest du die Ausbildung aus heutiger Sicht noch mal machen?

Mei, das ist immer so ne’ Sache. Ich werde oft gefragt, ob ich jungen Menschen empfehlen würde eine Kochausbildung zu machen. Früher habe ich immer Nein gesagt, denn Deine ganzen sozialen Kontakte sind dann halt erst einmal futsch. Entscheide Dich für die Gastronomie und entscheide Dich gegen das typisch normale soziale Leben und deinen Freundeskreis, den Du bis dato hattest. Vergiss den Samstag, Sonntag und das Wochenende. Vergiss den Samstagnachmittag im Freibad. Das kannst Du dann alles knicken.

Aber auf der anderen Seite hast Du halt die Möglichkeit als Koch oder speziell in der Gastronomie dir kostenlos die ganze Welt anzuschauen und dabei noch Geld zu verdienen. Und ich glaube, es gibt keinen Beruf oder keine Branche, wo es so einfach ist auf einem Schiff anzuheuern und mal eben um die Welt zu kreuzen. Oder zu sagen, ich gehe jetzt eine Saison nach Australien oder nach Amerika oder nach Kanada oder nach Zimbabwe. Ist ja egal. Du hast die Möglichkeit als Koch und die Welt steht Dir offen. Das kannst du fast in keinem anderen Beruf machen.

Ich meine, hätte ich ganz normal Schreiner gelernt oder Gitarrenbauer oder Zweiradmechaniker, was ich mir vorgestellt hätte, dann wäre ich heute wahrscheinlich nicht da, wo ich jetzt bin oder hätte nicht das erleben dürfen, was ich bisher erlebt habe. Von daher würde ich alles wieder genau so machen, ja.

 

Und wie kam es dann dazu, dass du jetzt Wagyus in Niederbayern züchtest?

Ich habe 2003 bei Stefan Marquard angefangen und habe dann auf der ganzen Welt Eventgastronomie gemacht. Von Australien über Ungarn, Skandinavien bis Griechenland, Türkei, Schweiz. Vor allem viele Musikevents, weil ich da auch Bock drauf hatte. Zum Beispiel Backstage-Catering für die Künstler von Rock-am-Ring usw. Ich war viel auf Tour und hab viel gesehen. Und wie es halt so ist: Du willst ja doch immer das, was Du nicht hast. Wenn du die ersten zwanzig Jahre im bayrischen Wald verbringst, dann willst Du eigentlich nix wie weg. Und wenn Du dann weg bist, dann findest Du eigentlich den bayrischen Wald ganz schön.

Und ich habe dann einfach irgendwann gesagt: Okay, das ist ein cooles Leben, dieses Rockstarding, dieses Tourneeleben, dieses Nomadenleben, diese vielen Events, aber ich bin jetzt an dem Punkt an dem es auch mal wieder etwas solider werden darf. Ich war ja damals auch schon mit meiner Frau zusammen. Daher hab ich gesagt, lass uns den Bauernhof übernehmen, lass uns da ein Haus bauen, lass uns eine Familie gründen und wir lassen ein Stück Normalität einkehren.

Das mit der Familie hat dann zwar nicht geklappt, aber alles andere. Wir haben dann den Hof übernommen, mussten den aber dann ja auch irgendwie bewirtschaften. Ich habe überlegt, was man machen könnte und alle Möglichkeiten durchgespielt. Wir mussten irgendetwas produzieren, dass sich im vorhandenen Netzwerk gut vermarkten lässt. Und mein Netzwerk war in der Spitzengastronomie. Von Ackerbau hatte ich keine Ahnung und wir mussten was machen, was grade ziemlich angesagt war und noch keiner macht. Das war zu der Zeit also 2006, die Wagyu-Rinderzucht. Es gab zwar Wagyus in Holland und in Belgien, aber der Großteil kam aus Australien und den USA. In Deutschland hat das damals noch keiner gemacht.

 

Wie hat darauf denn dein Umfeld reagiert? Waren die Leute bei euch in der Gegend nicht verwundert, was da für merkwürdige Rinder auf euren Wiesen gegrast haben?

Das war damals noch in ganz Deutschland etwas Neues. Wagyurinder kannten die Meisten, wenn überhaupt, dann nur aus dem Fernsehen: Teuerstes Fleisch der Welt – Kobe Rind – Japan – wird mit Bier massiert usw. Ich bin sehr akzeptiert in meinem Umfeld und wir helfen ja auch alle immer zusammen, aber klar: Wenn ein Fünfundzwanzigjähriger, der aussieht wie ein Heavy-Metall-Musiker, den Hof übernimmt, wo 20 Jahre Stillstand war und dann schwarze Rindviecher aus Japan auf die Weide stellt – natürlich sagt da nicht jeder, dass das ganz normal ist. Aber ich sag jetzt mal so: Der Erfolg hat uns ja recht gegeben.

 

Du machst ja mittlerweile ziemlich viel: Rinder züchten, ein Restaurant betreiben, Kochbücher schreiben und im Fernsehen bist du grade auch ziemlich gut unterwegs. Was macht Dir davon am meisten Spaß bzw. gibt es etwas was Du noch gerne machen würdest?

Das hört sich immer so an, als würde ich alles machen, aber im Endeffekt ist das ja eine komplette Philosophie. Ich habe natürlich Koch gelernt und Gastronomie ist unser Hauptsteckenpferd aber mit dem Bauernhof ist es eben ein großes Ganzes. Und wenn Du mich jetzt so fragst, mache ich alles irgendwie gern. Ich mache schon auch gerne fünf Tage Catering beim Summer Breeze Open Air, aber ich koche auch genau so gerne 8 Gänge fine dining. Ich mache gerne Buchshootings und ich fahre auch gerne zum Drehen. Ich bin auch gerne mal daheim oder im Urlaub oder ich fahre auch gerne Motorrad.

Ich glaube, es ist immer so eine ausgewogene Mischung. Und alles gehört dazu, weil alles ineinander spielt. Das ist wie ein Getriebe. Ohne die Wagyus wäre ich nicht der Fleischpapst, ohne den Fleischpapst würde ich nicht die Bücher schreiben. Ohne die Bücher hätte ich nicht diese mediale Reichweite, würdest Du mich jetzt gar nicht anrufen. Es spielt alles ineinander. Ich glaube, das ist ein großes Ganzes. Ich könnte mir aber nicht vorstellen als Koch jeden Tag in ein Restaurant zu gehen und jeden Tag das Gleiche machen.

Und am allerliebsten bin ich Bauer. Wenn ich mir was aus den sechs oder sieben Tätigkeiten aussuchen müsste, dann bin ich am liebsten Bauer. Da macht mir alles Spaß. Das ist Erfüllung. Mehr Erfüllung als alles andere. Aber  in dem Moment, wenn mir etwas keinen Spaß mehr macht, dann höre ich damit auf.

 

Dann zu deinem Restaurant, dem STOI. Wenn du hier neue Gerichte ausprobierst. Wie kommst Du auf die?

In der Regel habe ich schon eine feste Vorstellung. Die ist oftmals inspiriert von einer Reise oder einem Restaurantbesuch oder von einem Eindruck. Ich meine, wenn Du für Dreharbeiten für 12 Tage in Uruguay, Argentinien und Brasilien unterwegs bist, dann sprudelt natürlich die Kreativität, die du dann mit deinen eigenen Mitteln in deinem eigenen Land auf deine eigene Art interpretieren kannst.

 

Und Du lebst im STOI ja auch den Nose-to-Tail-Ansatz. Was verarbeitest Du am Liebsten?

Alles, eigentlich alles. Das hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber ich mach da keine Unterschiede. Ich sage jetzt nicht, dass Filet super ist, weil es so schön zart ist und was anderes, weil man es so gut schmoren kann. Wäre jetzt auch blöd zu sagen, mir ist Nose-to-Tail wichtig, aber am Liebsten habe ich diese drei Stücke.

 

Aber gibt es ein Teil, was Du selbst total gerne isst?

Das ist auch völlig unterschiedlich. Momentan mag ich gerne was Geschmortes – ich schmor’ grade unheimlich gern. Dann mag ich wieder mal was Rosanes, dann mag ich wieder was Gegrilltes oder was Gesmoktes. Aber wenn Du mich fragst was für mich die eierlegende Wollmilchsau ist, dann ist es der Schaufelbug. Das Top Blade, wo man das Flat Iron Steak rausschneidet. Das ist zum Kurzbraten das beste Steak. Halt, stopp. Eigentlich ist es doch eher das Saumfleisch, das Kronfleisch. Genau. Wenn Du mich fragst, was ist mein Lieblingsstück, dann ist es das Kronfleisch, das Outside Skirt.

 

Nach Nose-To-Tail ist Nachhaltigkeit in der Küche ja auch immer wieder ein großes Thema. Was sagst Du dazu, bzw. was ist Deine Haltung?

Dieses Thema ist etwas, das mittlerweile von jedem Idioten inflationär benutzt wird. Das kannst du auch genauso schreiben. Denn das geht mir mittlerweile total auf die Eier. Du musst ja nur eine Gemüsebestellung machen. Da ist ja mehr Plastikverpackung dabei als alles andere. Und ein Anfang wäre ja schon einmal gemacht, wenn nicht permanent alle überproduzieren würden. Das größte Problem ist meiner Meinung nach, dass ein Drittel aller Lebensmittel einfach weggeschmissen werden. Das ist eigentlich das Traurige. Es wäre ein Anfang, dass man sagt, okay: Warum muss man denn immer alles irgendwie da haben? Das ist halt auch dieses permanente Überangebot. Und weil keiner mehr Respekt vor Lebensmitteln hat und weil auch keiner mehr einen Bezug dazu hat.

Ich sage immer: Die größte Rückbesinnung ist, wenn man einmal darüber nachdenkt, wie die Leute das früher gemacht haben. Also ich war „früher“ nicht auf der Welt, aber nach dem Zweiten Weltkrieg, da waren alle nicht so fett und da waren alle nicht so verwöhnt. Da war auch ein ganz anderer Umgang mit Fleisch, da war das was Besonderes. Das erklärt die Nose-to-Tail-Philosophie von Haus aus. Da hat jeder Bauernhof oder jeder Haushalt zwei Mal im Jahr ein Schwein geschlachtet und das wurde sprichwörtlich und im wahrsten Sinne des Wortes bis auf Herz und Nieren verarbeitet. Da hat man nicht für zehn gekocht und vier haben gegessen und dann ist es weggeschmissen worden.

Das ist ein endloses Thema. Und dafür braucht es auch wieder ein Verständnis vom Gast. Und das ist immer das, was ich in jedem Interview sage und auch im Fernsehen sage: Die Landwirte sind nicht die Blöden und auch die Gastronomen sind nicht die Blöden, die Blöden sind einfach die Kackendverbraucher, die Kackgäste, die kein Verständnis haben, dass nicht immer alles jederzeit da ist. Das hört sich radikal an, das ist auch ein Grundsatz, den wir so im STOI pflegen.

 

Was macht ihr anders?

Wir haben im STOI überhaupt keine „No-Shows“. Das ist eine ganz einfache Geschichte. Ich wollte ein Restaurant, aber kein „à la carte“. Ich find’s halt wie gesagt blöd, immer alles da haben zu müssen, weil es ja sein könnte, dass doch noch jemand kommt. Und wenn man dann doch etwas nicht mehr hat, kriegst Du noch eine schlechte Bewertung auf TripAdvisor oder einem anderen Portal. Wenn Du keine geschlossene Veranstaltung bei uns buchst, wie zum Beispiel eine Weihnachtsfeier, Firmenfeier, Familienfeier etc., dann gibt es bei mir nur sogenannte offene Events. Da koche ich dann sechs oder zehn Gänge, und die können dann gebucht werden.

Man kauft sich dann vorher ein Ticket, genauso wie für ein Metallica Konzert. Und wenn Dir doch dann drei Tage vorher einfällt, dass Du keine Lust mehr hast oder keine Zeit, dann musst Du entweder schauen, dass Du das Ticket weiterverkaufst oder Du musst es halt verfliegen lassen. Und dann hast Du halt schon mal bis zu 180 Euro in den Wind geschossen. Das ist ein ganz guter Ansatz um ein bissel mehr Wertschätzung für unsere ganze Branche zu kriegen.

Und bei uns gibt es kein Cashless-System. Ich hab keinen Bock, dass die Leute mit Kreditkarte bezahlen und dann einfach kein ordentliches Trinkgeld geben, weil sie denken, damit ist alles abgegolten. Sie wissen ja schon mehrere Wochen vorher, dass sie da zum Essen hingehen und müssen das Ticket sowieso vorab bezahlen. Die Getränke werden dann vor Ort cash bezahlt. Und dafür kann ich mir doch mal 300 Euro ins Portemonnaie stecken. Da muss man ja nicht immer alles mit EC-Karte machen. Ich finde diese Verblödung fürchterlich! Du merkst, ich bin in meinem „Hatermodus“.

Was regt Dich sonst noch so auf?

Ganz ehrlich? Wenn Gäste einfach blöd sind und einen Tisch reservieren und dann einfach gar nicht kommen. Bei keinem anderen Gewerk kannst du das irgendwie machen. Und bei keinem Arzt kommst Du einfach eine Stunde zu spät, wenn Du einen Termin hast. Nur in der Gastronomie ist immer alles erlaubt. Und dann kann jeder Depp heute auch noch im Zuge der Anonymität im Internet jeden Gastgeber und jeden Gastonomen verreißen. Und wenn sie bestellen und während sie die Bestellung abgeben, erzählen sie von allen möglichen Krankheiten: Gluten und Laktose und im Restaurant noch schnell schwanger geworden und dürfen plötzlich kein rohes Fleisch mehr essen. Das nervt mich. Das finde ich einfach fürchterlich.

Wir machen das wie gesagt im STOI anders. Da kannst Du Dir ein Ticket für ein Menü kaufen. Das ist dann so, als ob du bei Guns n’ Roses auf ein Konzert gehst. Und wenn Guns n’ Roses die Setlist so spielen wollen, dann spielen sie die so. Da kannst Du hingehen und kannst sie dir anhören. Du kannst ja auch nicht auf ein Rammsteinkonzert gehen und sagen, ich möchte aber gerne als erstes „Seemann“ hören, und dann hätte ich gerne das und das und das. 40.000 Leute und jeder wünscht sich was anderes. Da ist sie wieder, die Parallele zur Musik. Da sagt ja auch keiner, das Konzert hat mir heute deshalb nicht gefallen, das reklamier ich.

Man muss manche Leute eben auch mit einer gewissen Arroganz erziehen und die, die da keinen Bock drauf haben, die sollen dann eben zu Hause bleiben. Das spart deren Nerven und es spart meine Nerven. So haben wir in den letzten fünf Jahre eine unglaublich geile Gästebase aufgebaut und sind immer für ein halbes Jahr im Voraus ausreserviert. Ich habe einfach keinen Bock drauf, dass wir uns so ne Scheiße permanent gefallen lassen müssen und das machen halt meiner Meinung nach noch viel zu viele Gastronomen.

 

Gibt es in Deiner Küche Zutaten, auf die Du nicht verzichten möchtest?

Ich könnte mir zum Beispiel niemals vorstellen vegan zu kochen, weil ich einfach finde, dass eine gute Butter, gute Molkereiprodukte und auch ein geiler Käse essenziell wichtig sind. Man kann schon vegetarisch gut kochen. Eines meiner absoluten Lieblingsgerichte ist zum Beispiel das perfekte Frühstücksei mit weichem Dotter. Dazu ein wenig Kartoffelpüree und darüber weißer Trüffel. Da brauch ich kein Fleisch. Oder richtig geile Allgäuer Käsespätzle mit einem richtig schönen stinkerten Bergkäse. Da brauchst Du kein Fleisch und da müssen auch zusätzlich keine Speckwürfel rein. Oder einfach nur gegrillter schöner Hummer, wenn ich zum Beispiel mal in Griechenland im Urlaub bin. Nur mit Salat und frischem Olivenöl. Also auf Fleisch kann man schon verzichten. Aber ich würde nicht auf Milch und Käse verzichten können.

Wenn Du also fragst, was die fünf wichtigsten Zutaten in meinem Kühlschrank sind, dann ist es Butter, Milch, Käse, also ein Parmesan bzw. Hartkäse und ein schöner Schinken oder ein schöner Speck. Und es ist immer eine Flasche Bier da drin. Und Eier natürlich. Auf die könnte ich doch auch nicht verzichten.

 

Was hältst Du denn eigentlich von Foodbloggern?

Bei Foodbloggern ist es wie mit Restaurants. Da gibt ganz Gute, aber eben auch so richtig Schlechte. Ich habe zum Beispiel eine liebe Freundin in München. Das ist die Annette Sandner von Culinarypixel. Die ist eine sensationell gute Foodbloggerin. Die find ich super. Den Uwe Spitzmüller von High Foodality finde ich sensationell.  Das ist der Philosoph unter den Foodbloggern. Die Annette ist megabreit aufgestellt. Die reist viel, macht viel Wein und Touristik. Der Uwe ist ein ganz filigraner Typ, der sich ins Essen reinsteigert wie ein 3-Sterne-Koch. Das sind meine Lieblingsblogs. Und Dich kenne ich ja noch nicht so gut. Vielleicht nehme ich dich auch noch auf in meine Liste der Lieblingsblogger. (Anmerkung der Redaktion: Das wäre so schön!)

Aber ich habe früher auch viele Veranstaltungen gemacht, z.B. für Küchenhersteller. Da hast Du auch viele Bloggerevents, wo die Hersteller Blogger einladen, um mediale Reichweite zu kriegen. Da hab ich auch schon einiges erlebt und mir auch gedacht, dass die doch jetzt nur das sind, weil die ganze Fresserei umsonst ist.

 

Bei mir auf dem Blog geht es ja auch immer um Bücher. Liest Du eigentlich auch gerne?

Ich lese unglaublich viel, aber keine Romane. Ich lese jeden Tag eine Tageszeitung und natürlich viel Foodlektüre: Falstaff, Rolling Pin, Feinschmecker, Beef usw. Und, das finde ich das Schlimmste, ich bin ein IPad-Leser. Und da viel in Wikipedia. Wenn ich im Fernsehen etwas sehe, was mich interessiert, dann schlag ich das sofort nach. Ich bin einfach niemand, der sich mit einem Buch in die Hängematte legt. Okay, vielleicht mal im Urlaub. Aber dann eher Biografien von Rockstars, wie Slash oder Marylin Manson oder so.

 

Wenn Du eine Henkersmahlzeit wählen müsstest. Was wäre das und warum?

Eine Henkersmahlzeit? Lass mich mal überlegen… Ich würde eine Pizza Diavola nehmen und eine Flasche Chateau Montelena. Ich esse für mein Leben gern Pizza. Die bestelle ich mir jeden Sonntag und das liebe ich. Wir haben nämlich den besten Pizzabäcker auf der ganzen Welt außerhalb Italiens. Die Pizzeria Mille Gradi. Die haben da einen Holzofen mit über 1000 Grad.

Am Sonntag haben wir so gut wie nie Events. Und das ist dann der Tag zum Runterkommen. Ich bestelle dann die Pizza, gehe noch schnell duschen und fahre dann noch mit nassen Haaren und in der Jogginghose zur Pizzeria. Daheim schiebe ich sie noch einmal kurz in den Ofen und schaue mir dann, mit einer Flasche kalifornischen Cabernet oder einem einfachen Chianti, den Tatort an. Wenn dann noch ein München- Wien- oder Münstertatort kommt, dann bin ich in dem Moment der glücklichste Mensch der Welt.

 

Was für ein Schlusswort. Nach diesem Interview bin ganz sicher ich der glücklichste Blogger der Welt. Ganz lieben Dank an Lucki Maurer! Es war mir ein Fest.

Deine/Eure Kiki

 

 

PS: Und für alle, die noch nicht genug haben: am 3. September ist das Buch „Well done“  beim ZS Verlag erschienen. Hier gibt es noch mehr persönliche Einblicke in das Leben von Lucki Maurer.

 

2 Antworten zu “Lucki Maurer. Das kulinarische Interview”

  1. Heidemarie Weber sagt:

    Hallo Kiki!
    Das ist ein interessantes, aufschlussreiches Interview. Herr Maurer spricht mir aus der Seele. Wie gut, dass du seine Anschauungen, Ansichten, Ideen hier “unters Volk” bringen konntest. Danke.
    Heidi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hungrig auf mehr?